Schön-Schön

So im Sommer 2019 jammte wir in der Blauen Hütte in der Späth´schen.
War immer ein Riesenspaß und ging bis in den Morgen.

Einmal spielten wir, aus dem Blues heraus, mit Reggae herum, und es war sehr, sehr feucht-fröhlich - am Ende war ich schön blau :D
Ich trödelte also im Morgengrauen nach Hause, unter dem Arm das E-Piano, auf dem Rücken den Bass, im anderen Arm die Gitte, das Ganze Paket also, und in dezenten Schlangenlinien.
Im Kopp: "Nen Reggae haste noch nicht geschrieben ... sollteste mal machen ... hmmmm .. wie könnte der gehen ...".
Denn mußte ich pullern :)


Parkte also das komplette Jam-Band-Equipment an nem Baum, stellte mich selbst dann an nen anderen (immerhin ... ) und entließ das Bier nach getaner Arbeit .. wisst schon.
Schaute in den Himmel, "Reggae... hmmm".
Dieser verfärbte sich grade, also über mir noch Sterne, im Osten erste bunte Farben, dazwischen dieses gewisse, intensive Blau.
Ich so" Uh, der Himmel is ja mal echt schön! ... ooooh, sowas von schön! Neee, was is der Himmel aber mal schön!"
Etwa wie Loriot, das mit dem Rasen, schön grün und so :P

Naja, das quakte ich nun im Reggae-Rythmus auf den verbleibenden Metern vor mich hin - und der Sommerhit war geboren :D

 

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Tja, und nun, 2022 im Juni, dreh ich das Video zur Mucke und schleife meine alten Knochen x-mal auf die Spreebrücke, um endlich die kurze Sequenz "Sonnenaufgang " in den Kasten zu bekommen.

Bin sogar in Eile, lasse mitlaufen, und fluche, daß ich vor 10 Jahren sowas wackelfrei über 20 Minuten runtergezogen habe und nun über jeden Schritt k***zen könnte … … :D

Naja, so isses eben! Die Jahre hinterlassen Spuren, und in diesen 10 Jahren ist ja auch elend viel passiert.

Wie immer bei mir ;)

 

Und dann steh ich da, und keine Wolkenbank stört den magischen Moment, in dem die rote Morgensonne den orangefarbenen Horizont durchsticht, Autos mit ihren kaltweißen Scheinwerfern daraus hervorkriechen, klein und fuzzelig wie seltsame Ameisen, die einem himmlischen Feuer entfliehen … und ich checke die Bildränder, das Format, Schärfe, Winkel, überlege, nachzuregeln oder doch tiefer zu ziehen … und sehe dann die Stromleitungen über mir, während die Kamera in Position bleibt, und stelle fest, daß ich dieses Motiv schon vor locker 40 Jahren an einem ganz anderen Ort erfaßt habe, über tausend Kilometer weit weg von hier.

Anderer Ort, andere Zeit .. und irgendwie fast ein anderes Universum.

So sind wir Menschen.

40 Jahre sind mehr als nur ein Universum.

Und dann wird mir klar, daß ich mit der gleichen Begeisterung zum x-ten mal wieder diese schwarzen Stromkabel sehe, wie sie den dunkelblauen Himmel zerteilen, der zum Horizont hin immer mehr in orange bis zu kräftigem, glühenden gelb wird, aus dem die Sonne rot hervorsticht.

Und daß in milliarden Jahren die Sonne nie gleich war, zumal sie sich ja ausbrennt, und auf der Erde nie gleich aussah, zumal immer mal mehr oder weniger Vulkanasche oder CO2 oder Sharastaub in der Atmosphäre war.

Und keiner dieser Momente seit 40 Jahren je wirklich gleich war, aber immer wieder gleichermaßen faszinierend …

"Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet … " (Blade Runner)

Nein, keine brennenden Schiffe vor dem Tannhäuser Tor, aber eine brennende Jolle am Bodensee, die irgendwelche brennenden Teile in den schwarzen Abendhimmel abgab, wie verkehrt herum fliegende Kometen, samt Rauchschweifen, und sich dabei dem abendlichen Horizont näherten, wo sie ihre Farbe wechselten, und ganz seltsame Schatten entwickelten, die nach innen zu fallen schienen...

Nein , kein LSD :)

Einfach nur dagewesen, zugeschaut, aufgenommen.

Und so viele Jahre und tausende Sonnenauf- und -untergänge später, könnte ich keinen davon zuende beschreiben, bin aber von jedem neuen wieder und wieder begeistert.

Jeder durchflutet mich, zaubert ein Lächeln in mein Gesicht, läßt mich den Kopf schütteln angesichts solcher gleichermaßen Komplexität wie Schlichtheit.

Danke für jeden Tag, du wunderbares Universum, und danke, daß ich ihn so bewußt wahrnehmen kann!

Was für ein Geschenk des Lebens.

Bewußtsein.